Theologie der Sakramente

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Einführung

a.      Was ist ein Sakrament? Ein Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes!

Gott ist die Liebe. Diese Liebe trägt unser Leben.  Der Glaube an diesen Gott der Liebe ist auch die Voraussetzung für eine moderne Theologie und eine menschenwürdige pastorale Praxis, die den Menschen aus der Angst und zu einem Leben in Fülle befreien möchte. Damit dieser Glaube aber auch wirksam werden kann im Leben der Menschen, braucht es Räume und Zeiten, in denen jeder Suchende die Erfahrung der Zuwendung Gottes an seinem eigenen Leib erfahren kann. Die christlichen Kirchen haben daher seit jeher symbolische Ritualhandlungen gepflegt und weiterentwickelt, die für bestimmte Lebenssituationen und für das Leben der Gemeinschaft die Zuwendung Gottes zum Ausdruck bringen sollen. Im 2. Vatikanischen Konzil hat die katholische Kirche diese „Sakramente“ als Zeichen und Werkzeuge der göttlichen Liebe beschrieben. Im Zeichen können wir sie erkennen, und als Werkzeuge können sie bewirken, was sie beabsichtigen (s. dazu

Der hohe Anspruch darin bezieht sich auf die Erfahrung Gottes in Jesus, dem Christus. Der christliche Glaube erkennt in Jesus die personale Zuwendung Gottes, die in der Erfahrung seines Geistes über alle Zeiten Gottes Werk der Befreiung und Vollendung seiner Schöpfung transparent und wirksam macht. Gottes Wort, also seine kommunikative Zuwendung zu seiner Schöpfung, geht von da an im Menschenwort weiter – wie es auch schon davor von den Propheten vieler Kulturen erahnt und verkündet wurde. Dieser Indikativ (= Zuspruch) göttlicher, unbedingter Liebe wird für uns zum Imperativ (= Anspruch) der Selbst- und Nächstenliebe – und letztlich zur umfassenden Schöpfungsverantwortung. Die konkrete Ausformulierung dieser unfassbaren Berufung und Verantwortung entwickelte sich freilich über die Zeit und im jeweiligen Kontext der Kulturen. Der große Auftrag verkam hier nicht selten zu einer Rechtfertigung der kulturellen Abgrenzung und des Machtmissbrauchs. Dennoch zeigt die Geschichte, wie sich trotz aller Verwirrungen und Leiden die heilsame Aussage, die gerade in den Sakramenten erfahrbar wird, über die Jahrhunderte entfalten konnte und gegenwärtig immer mehr gesucht wird. Die Aufgabe der christlichen Gemeinschaft in der heutigen Zeit ist es, diesen hohen Anspruch der Verleiblichung göttlicher Liebe in Wort und Tat wieder zugänglicher und verständlicher zu machen – und als Gemeinschaft auch entsprechend zu leben.

b.      Die Fundamente der Sakramente – Fundamente für das Leben

Eine theologisch-philosophische Auseinandersetzung mit den Sakramenten kann u.a. vier Perspektiven auf das Phänomen „Sakrament“ werfen. Diese sollen hier nur kurz zum besseren Verständnis des Folgenden vorgestellt werden – Interessierte mögen sich in der aktuellen Literatur vertiefen. Wir können von einer Schöpfungsperspektive, einer Christusperspektive, einer ekklesiologischen (= kirchlichen) Perspektive und einer eschatologischen (= Verheißungs-) Perspektive sprechen. Eine so genannte „soteriologische“ (= Erlösungs-)Perspektive wird hier nicht angeführt: Sollte Gott sein eigenes Geschöpf verdammen, weil es nicht die Sakramente für seine Entfaltung nutzt?

Die Schöpfungsperspektive fragt danach, warum es etwas gibt und nicht vielmehr nichts – und warum alles so ist wie es ist. Wir stoßen hier auf 4 Sinn-Ebenen, die im christlichen Glauben eine Antwort im Sinne eines Gottes der Liebe ermöglichen: Der Sinn der Existenz ist es, dass Gott aus Liebe alles erschaffen hat – Liebe will sich schenken. Der Sinn der Form unserer Existenz (Zeitlichkeit, Unvollkommenheit etc.) ist es, dass Gott in seiner Liebe unsere Freiheit möchte – die Antwort auf die Liebe braucht die Freiheit als Grundlage. Der Sinn meiner Existenz ist es, dass Gottes Liebe konkret wird – meine Antwort auf seine Liebe darf in der Freiheit meine Form annehmen. Und der Sinn der konkreten Ausprägung meiner situativen Existenz (z.B. ein „Schicksal“) ist es, dass in Zeit und Raum meine Antwort zum Ausdruck kommen kann – im freien Spiel der Kräfte dieser Welt eröffnet Gott mir konkrete Momente, in denen ich mich ihm gegenüber entscheiden kann. Alles ist somit Kommunikationsraum Gottes, in allem bin ich in Beziehung mit Gott, in allem zeigt sich mein Verhältnis zu ihm.

Die Christusperspektive fragt nach dem Leiden in der Welt und nach der Antwort Gottes darauf. Durch die Freiheit können wir uns auch gegen Gott entscheiden. Das zeigt sich in der Weise, wie wir ohne Liebe in Beziehung treten – mit uns, den anderen Menschen und mit der ganzen Schöpfung. Zeit und Raum dienen aber nicht nur dem Ausdruck unserer Gottesbeziehung, sondern auch der Entwicklung dieser. Denn ich kann meine Entscheidungen auch ändern – ich kann lernen, wachsen, reifen … Meine Entscheidungen formen mich zu dem Menschen, der ich sein möchte – eingebettet in die Beziehung zu Gott, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Im christlichen Glauben haben wir die Gewissheit, dass Gott für uns die Fülle und nicht das Leid möchte. Das möchte er uns bewusstmachen – ohne uns die Freiheit zu nehmen, unsere Beziehung zu ihm zu gestalten. Gott wählt daher indirekte Wege, um uns in seine Gemeinschaft einzuladen und uns seine Fülle zu eröffnen. In Jesus, dem Christus können wir am deutlichsten diese Zuwendungen Gottes erkennen: Er kam als einer, der anderen diente, sie heilte, sie aufbaute, ihnen etwas zutraute und ihnen Freiheit gab, sich dafür zu entscheiden. Er vermied die Gewalt, vergab seinen Verfolgern, starb im Vertrauen auf Gott am Kreuz – und gab uns in seiner Auferstehung das Zeugnis, dass auf Gott Verlass ist. Bis heute wirkt sein Zeugnis durch Zeit und Raum als Einladung, sich in Freiheit für Gott zu entscheiden und anderen dabei zu helfen, die Liebe Gottes zu erfahren.

Die Kirchenperspektive fragt danach, wie dieses Christusereignis auch uns, 2000 Jahre danach, aus der Angst befreien kann. Hier spannt sich die Antwort auf in einer bipolaren Welt: Es geht um Leben und Tod, um Zeit und Ewigkeit, um Gemeinschaft und den Einzelnen uvm. Gott möchte also eine immer stärkere Verwandlung der Welt im Sinne der Botschaft Christi, d.h. im Sinne von Freiheit und Verantwortung, die erst in der Liebe Gottes ermöglicht wird. Die Gegenwart Gottes, die Zeit und Raum übersteigt und mich persönlich betrifft, nennen wir den Heiligen Geist. Der Heilige Geist wird nun seit jeher als jene persönliche Kraft erlebt, die uns zur Beziehung mit Gott befähigt und seit dem Christusereignis Menschen in seine Nachfolge beruft. Diese so genannten „Jünger Jesu“ sollen zusammen eine Gemeinschaft unter der Leitung des Heiligen Geistes bilden, in der jeder nach seinem Charisma die Welt verwandelt. Diese Gemeinschaft, die sich immer wieder neu zwischen den Polen dieser Welt (z.B. Hierarchie – Demokratie, Natur –Gnade etc.) verorten muss, nennen wir die Kirche. Sie gründet auf die Zuwendung Gottes in seiner schöpferischen Liebestätigkeit, in der Offenbarung Gottes in Jesus, dem Christus und im Wirken des Heiligen Geistes. Und freilich in den freien Entscheidungen aller Menschen, die diese Gemeinschaft aufbauen und weiterentwickeln. Sie umfasst aber auch alle jene Menschen, die sich ihrer Teilhabe und Berufung noch nicht bewusst sind und dennoch durch ihre implizite Beziehung mit Gott diese Welt gestalten.

Die eschatologische Perspektive fragt nach der konkreten Umsetzung der drei vorherigen im persönlichen Leben. Gott möchte in seiner Liebe eine Beziehung mit jedem einzelnen Menschen, damit dieser in Freiheit und in Ewigkeit leben kann. Wir dürfen diese Beziehung zu ihm gestalten – er unterstützt uns dabei. Auch wenn wir durch viele Fehler und Schwächen hindurch zu dem werden, was wir einst bei ihm sein dürfen. Es liegt also an uns, das Angebot Gottes immer bewusster wahrzunehmen und darauf zu antworten, d.h. Formen und Inhalte in unserem Leben zu finden und zu nützen, um ihn und seine Liebe immer unmittelbarer zu erfahren – bis zur Vereinigung mit ihm. Dabei können wir zwischen traditionellen und moderneren Ausdrucks- und Erfahrungsweisen wählen, dürfen uns verlaufen und wiederfinden lassen. Entscheidend ist die ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Gott und unserem Leben und die Unterscheidung, was wirklich zu einer gelungenen Beziehung zu Gott, dem Nächsten, mir und der Schöpfung hilft.

Die Sakramente spiegeln alle diese Perspektiven wieder – sie implizieren den Glauben an einen dreifaltigen Gott der Liebe. In ihren symbolisch-rituellen Vollzügen dürfen wir nicht nur ein Stück Schöpfungsgeschichte, Versöhnungsgeschichte und Kirchengeschichte erleben, sondern sollen explizit auch unsere eigene Geschichte als Teil des größeren Ganzen einordnen und einbringen. Jedes Ritual lebt von der unmittelbaren Bewusstheit und Erfahrung seiner vermittelten Aussagen und Weisungen. Je integrierter also die vier Perspektiven miteinander in einem Sakrament wirken, umso eher wird es zu einem Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes für uns – zur Hoffnung für uns und die Welt.

c.       Die Sakramente in der Postmoderne – eine Prinzipienlehre

Die Postmoderne steht mit ihrer Betonung des Individualismus, ihrer Metaphysikkritik und ihrer Diesseitsorientierung scheinbar im Widerspruch zu den religiösen Glaubensbekenntnissen. Aber Gott sei Dank ist es ja nicht nur die Gesellschaft, die sich Rechenschaft geben muss für ihr Weltbild, sondern jeder Suchende selbst – freilich im Dialog mit allen Mitsuchenden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist also die Meinung des Einzelnen relevant – nicht mehr das Dogma des Kollektivs. So ist es nicht verwunderlich, wenn plötzlich jeder einen eigenen, ausdifferenzierten Glauben entwickelt – ja entwickeln muss. Das braucht einen originären, christlichen Glauben gar nicht zu stören, denn seit jeher geht es ihm um die ganz persönliche Beziehung des Einzelnen mit seinem Schöpfer. Oder um es noch drastischer zu sagen: Einen traditionellen Inhalt zu glauben, ohne eine persönliche Glaubenserfahrung gemacht zu haben, welche die Persönlichkeit umfassend verändert (z.B. aus der Angst und zur Liebe befreit), macht schlichtweg keinen Sinn. Der Anspruch, der daraus an die christliche Gemeinschaft und die sakramentalen Vollzüge gestellt wird, ist somit ein anderer als die rechtliche Gültigkeit, auch wenn diese für eine Zivilgesellschaft notwendig ist. Vielmehr sollen Räume und Zeiten eröffnet werden, in denen jedes Individuum lernt, die möglichen Glaubensinhalte zu unterscheiden und daraus die Liebe Gottes zu verwirklichen. Und das ist auch ohne mythische Metaphysik möglich. Die vielen traditionellen und kulturformenden Frömmigkeitsbrauchtümer halten sich wie eh und je in allen Teilen der Erde – wer diese aber ablehnt, der kann dennoch die mythenfreie Logik eines gelungenen und ethischen Lebens in Gott erkennen und einen Pathos für den Einsatz für andere Menschen entwickeln. Er muss nur eines verstehen: Der bisherige Mythos, dass man sich an die Regeln einer Religionsgemeinschaft halten muss, um nicht in die Hölle zu kommen, ist in diesem Fall ein Widerspruch in sich. Denn dann hätte der Gott der Liebe nur eine sehr auserlesene Schar im Himmel … Die zentrale Verkündigung der Erbschuld, die allen anhaftet und die ohne Vergebung in den Sakramenten direkt ins Verderben führt, spiegelt diesen Widerspruch wieder: Entweder die Schuld ist vererbt, dann bin ich nicht schuld. Oder ich bin verantwortlich, dann habe ich sie nicht geerbt. Wenn also diese Welt nicht der Ort meiner Verdammung ist, und Gott mich nicht verdammt, auch wenn ich mich nicht auf ihn beziehe, dann stellt sich die Frage, warum dann Religion überhaupt noch notwendig ist. Wir sollten also von einer Logik der Erlösung, die praktisch immer ein sozialpsychologisches Machtinstrument war, zu einer Logik der Lösung kommen: Wenn das „Heil“ der Menschen in den gelungenen Beziehungen liegt, in der Beziehung zu Gott, dem nächsten, sich selbst und der Welt, dann gilt es, diese Beziehungen zu gestalten und alle dahingehend zu fördern. Und dann können die Sakramente jene rituell-symbolischen Vollzüge sein, die uns Menschen helfen, alle diese Beziehungen zu thematisieren, heilen und wachsen zu lassen. Das wäre dann ein erfülltes Leben für alle – jetzt und in Ewigkeit!