Theologie der Krankensalbung

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Die Krankensalbung

a.      Kontext

So wie Fehler und Schwächen unser Leben in Freiheit prägen, so sind auch Krankheit und Bedürftigkeit unsere Begleiter auf dem Weg in die Fülle Gottes. Jede Kultur hat ihren Umgang mit den verschiedenen Formen des Leides gefunden, verschiedene Wege der Heilung entwickelt und dem Zustand der Gebrechlichkeit und Abhängigkeit verschiedene Wertungen gegeben. Als Jesus die vielen Leidenden sah, so erzählt man, da hatte er Mitleid mit ihnen; und er heilte sie alle. Hier klingt die Grundhoffnung des Menschen durch, dass die Leiden dieser Welt einmal ein Ende haben werden, wenn Gott endgültig unser Ein-und-Alles ist. Gott möchte aber, dass wir in unserer Freiheit sein Angebot der Liebe und damit der Heilung (was nicht immer eine körperliche Heilung bedeuten muss) annehmen. Daher stellte Jesus seinen „Patienten“ immer die Frage, was sie von ihm wollen – und er sah ihre Sehnsucht nach der Fülle des Lebens in ihren Bitten. Die urchristlichen Gemeinden hielten an dem charismatischen Dienst Jesu fest und kümmerten sich um die Kranken ihrer Umgebung. Über die Zeit entwickelte sich daraus die so genannte „Krankensalbung“, die durch den Priester als Zeichen der Sorge der Gemeinde um ihre Mitglieder gespendet wird. Leider wurde sie vielerorts nur mehr den Sterbenden gegeben, da die biblische Begründung auf der Vergebung der Sünden beruhte. Heute ist dieser Konnex nicht mehr entscheidend, sondern im Vordergrund steht die zeichenhafte und faktische Unterstützung der Schwachen durch die Verantwortlichen der Gemeinschaft – damit sie leben und ein Leben in Fülle haben.

b.      Ritual

Das Ritual der Krankensalbung ist weniger streng formalisiert als die anderen Sakramente. Im Idealfall verbinden sich Elemente der Privatheit, die eine persönliche Aussprache oder Beichte zulässt, mit Elementen der Gemeinschaft, die ein Gefühl der Zugehörigkeit und Wertschätzung ermöglichen. In einer eigenen Form der Liturgie folgt nach den einleitenden Gebeten ein Moment der Verkündigung aus der Bibel, mit dem Angebot, darauf in Bitte und Dank zu antworten. Danach wird der/die PatientIn mit Chrisam gesalbt, und es wird mit einer Handauflegung um Heilung gebetet. Abschließend kann die Krankenkommunion gebracht werden, und der Priester gibt einen besonderen Segen.

c.       Beziehungen

Die Krankensalbung kennzeichnet die Verbindung zwischen dem kranken Mitglied der Gemeinde und der Gemeinschaft. Diese ist im Prinzip abstrakt, da niemand je vollständig gesund ist. Es geht hier um eine Ausnahmesituation, in der die Gemeinschaft nicht nur aus christlicher Nächstenliebe beauftragt ist, sich um jemanden Bedürftigen zu kümmern. Das Ritual ist also nur der Ernstfall der sonstigen spontanen Nächstenliebe oder organisierten Caritas und bezieht in ausdrücklicher Weise die Beziehung zu Gott, dem Herrn des Lebens, mit ein. Er hat die Macht, die Verhältnisse auf Erden zum Positiven zu wenden – wir dürfen in diesem Zuspruch seiner Liebe dem Anspruch der gegenseitigen Unterstützung folgen. Die zeichenhaften Ritualhandlungen haben aber auch praktisch den Sinn, dem/der PatientIn einen Rahmen der Aufarbeitung innerer Beziehungskonflikte zu bieten; es zeigt sich immer wieder, wie Heilungsprozesse durch die rituell-symbolischen Vollzüge der Vergebung und Annahme unterstützt werden.